Körner am Montag: Der digitale Fortschritt an den Schulen ist eine Schnecke!

Veröffentlicht am 26.04.2021 in Woche für Woche

Digitalpakt Schule: eine gute Sache, oder?

Ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie und zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der „Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019-2024“ befassen wir uns in der Vollversammlung am vergangenen Donnerstag mit dem Vorschlag der Verwaltung, den Lehrerinnen und Lehrern an Stuttgarter Schulen digitale Endgeräte zur Verfügung zu stellen. Eigentlich ist das ja ein überfälliger Schritt – würde man meinen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus:

1) Die Bundesregierung und in diesem Fall mal insbesondere die Regierungsfraktion der SPD bzw. die Vorsitzende der Bundes-SPD, Saskia Esken, mussten im letzten Jahr innerhalb des DigitalPakts Schule ein zusätzliches 500-Mio.-Programm auflegen, damit endlich alle Lehrerinnen und Lehrer mit einem mobilen Endgerät arbeiten können. Versprochen worden war das bei einem Schulgipfel im September 2020 (Eine Quelle dazu: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2020-09/schulgipfel-corona-krise-digitalpakt-kanzleramt-kultusminister-angela-merkel?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F)

2) Im Januar 2021 stand dann die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, besser bekannt unter dem Namen Corona III. Nach dem Königsteiner Schlüssel erhält Baden-Württemberg 65 Mio. Euro, auf Stuttgart entfallen 2,9 Mio. Euro. Die Länder sollten einen Eigenanteil von 10% übernehmen. In Stuttgart reicht das Geld gerade mal für rd. 2.000 Lehrerinnen und Lehrer. An Stuttgarter Schulen unterrichten aber rd. 6.000 Lehrerinnen und Lehrer. Was also tun?

3) Der Betrieb, die Wartung und der IT-Support erfordert in diesem Fall die rasche Einstellung von zusätzlich sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, strukturelle Mehrkosten von rd. 500.000 Euro p.a. In den ersten beiden Jahren wird das auch noch aus dem Digitalpakt bezahlt. Maßgeblich ist hier die Corona-Hilfe II, die ebenfalls mit 500 Mio. Euro dotiert ist. Das Geld reicht aber nur für zwei Jahre. Ab 2023 muss die Stadt die Kosten alleine tragen.

4) Übrigens: aus der Corona-Hilfe I (Sofortausstattungsprogramm) hat Stuttgart bereits Geld für 13.000 Endgeräte für Schülerinnen und Schüler bekommen, die zu Hause so etwas nicht haben. Auch dieses Zusatzprogramm ist mit 500 Mio. Euro dotiert. Der eigentliche Digitalpakt stammt aus Vor-Corona-Zeiten und umfasst fünf Mrd. Euro, von denen meines Wissens noch kein Cent bei Stuttgarter Schulen angekommen ist. Baden-Württemberg kann hier über 650 Mio. Euro verfügen. Für Stuttgart müssten es rd. 30 Mio. Euro sein. Bevor aber hier die Stadt Geld beantragen kann, brauchen Schulen einen Medienentwicklungsplan …

Und in der Vollversammlung am vergangenen Donnerstag geht es dann hoch her …

Obwohl sich alle einig scheinen, entsteht am vergangenen Donnerstag eine intensive Diskussion. Was war passiert?

Nun, zum einen appellierte CDU-Kollegin Ripsam nachvollziehbar und ohne Schaum vor dem Mund an die potentiellen Koalitionäre auf Landesebene, zusätzliche Landesmittel bereitzustellen. Denn schließlich sollen doch alle Lehrkräfte einen Laptop bekommen, oder? Ja, da war man sich noch einig. Die Grünen nehmen den Appell der CDU-Kollegin zum Anlasse, der Kultusministerin die Verantwortung zuzuschieben. Die solle gefälligst dafür sorgen, dass alle Lehrerinnen und Lehrer einen Laptop bekommen. Reiner Ruf hat da heute in der Stuttgarter Zeitung schon recht, wenn er schreibt, dass die Grünen in diesem wichtigen Feld der Landespolitik endlich Verantwortung übernehmen sollten.

Tja, und dann macht meine Kollegin Jasmin Meergans etwas ganz und gar Ungehöriges. Sie stellt einen sehr klug formulierten Ergänzungsantrag zum Verwaltungsvorschlag. Da wir als Gemeinderat möchten, dass alle Lehrerinnen und Lehrer einen Laptop bekommen, soll der Gemeinderat die Verwaltung auffordern eine Mitteilungsvorlage zu den Haushaltsberatungen vorlegen, mit der sie Wege beschriebt, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Eigentlich kann man da nur zustimmen, denn ein Weg besteht natürlich darin, dass das Land die zusätzlichen Kosten übernimmt.

Und manchmal wundere ich mich nur noch im Gemeinderat. Die Verwaltungsspitze bekniet uns als Fraktion geradezu, dass wir doch keinen Antrag stellen müssten. Man sei sich doch einig im Ziel, solle das aber nicht jetzt, sondern erst später beschließen – als Fraktionsvorsitzender muss ich noch drei Mal bekräftigen und begründen, warum wir als Fraktion an dem Antrag der Kollegin Meergans festhalten, und dann wird auch irgendwann abgestimmt. Mit 25 zu 24 Stimmen wird der SPD-Antrag tatsächlich angenommen. Für unseren Antrag stimmen CDU, FrAKTION und PULS und natürlich wir als SPD-Fraktion. Grüne, FDP, Freie Wähler und die AfD sind dagegen.

Tja, und jetzt frage ich mich: war das jetzt ein Erfolg? Was werden Eltern von Schülerinnen und Schülern sagen, was sagen Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie von dieser Debatte in irgendeiner Form erfahren sollten? Wahrscheinlich werden sie aber nie von dieser Debatte erfahren, denn keine Journalistin und kein Journalist sind dabei. Ein Jahr nach Beginn der Pandemie ist der Fortschritt wirklich eine Schnecke. Wer Interesse an dem Thema hat, kann sich aber gerne bei uns melden. Das Protokoll der Sitzung wird irgendwann zu haben sein. Wir verschicken es gerne. Einfach eine Mail an martin.koerner@stuttgart.de

 

 

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