Stellungnahme der SPD-Regionalfraktion zum Haushalt des Verbands Region Stuttgart für das Jahr 2010

Veröffentlicht am 23.11.2009 in Anträge

Rede des Fraktionsvorsitzenden Harald Raß
(öffentliche Sitzung der Regionalversammlung am 04.11.2009)

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Deutschland leben 57 von 82 Millionen Menschen in Ballungsräumen, in Regionen bzw. Metropolregionen. Und diese Regionen haben eine im Grunde ungebrochene Anziehungskraft für die Menschen, die eine Chance auf einen guten, zukunftssicheren Arbeitsplatz und Aufstiegschancen suchen, durch Vielfalt der Lebensstile („Stadtluft macht frei“), durch das Bildungs- und Kulturangebot, durch sichere Mobilität, zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Und selbst wenn die Region Stuttgart „nach Punkten“ hinter der Region München zurück liegen sollte (Stuttgarter Zeitung vom 31.10.09), bedeutet das keinesfalls, dass wir unattraktiv geworden sind.

Wir erleben andererseits eine schwere Krise unseres Finanz- und Wirtschaftssys-tems. Was wir erleben müssen, ist kein Unfall eines Systems, sondern eine tiefgrei-fende Verwerfung – mit langfristigen Folgen nicht nur für die Wirtschaft und die Be-schäftigten, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch für die öffentlichen Haushalte und damit auch für die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Und das gilt leider auch für die Region.
Unter diesem Vorzeichen stehen die diesjährigen Haushaltsberatungen.

Und: es gibt sie nicht: die einzige, die rettende, die alles überwölbende Idee, mit der wir uns aus der Krise befreien können. Es kann und wird also nicht darum gehen, mit einem Patentrezept die Welt aus den Angeln heben zu können.
Ein klares, oder besser: klareres Bild ergibt sich nur, wenn wir die einzelnen Bausteine zusammenfügen und wenn wir den Mut haben, auch die unangenehmen, die weniger ins Weltbild passenden Umstände mit in das Bild hinein zu nehmen.
Dazu gehören vielfältige Überlegungen:
Kosten sparen, Strukturen vereinfachen, mehr Bürgernähe schaffen, Transparenz in den Entscheidungswegen und den Entscheidungsgründen.

In diesem Jahr hat sich viel gewandelt. Politisch und personell. In der Region, im Land, im Bund.
Seit der Regionalwahl haben wir ein noch vielfältigeres Regionalparlament. Die bisher großen Fraktionen, die die Regionalversammlung dominieren konnten – wenn sie dies wollten – sind zahlenmäßig geschwächt.
Wie sich dieser Pluralismus, der eine wie auch immer geartete Hegemonie einer Partei eigentlich ausschließt, in der Praxis auswirkt und wie wir damit umgehen, ist noch nicht ganz klar. Einige Diskussionen während der Konstituierung der neuen Regionalversammlung waren ermutigend, andere nicht immer hilfreich. Die entscheidende Frage ist doch, wie wir die Region weiter entwickeln. Es gibt dazu gemeinsame aber auch unterschiedliche Vorstellungen. Dies zusammen zu bringen, wird eine der zentralen Aufgaben dieser 4. Regionalversammlung werden.

Die Wirtschaftsförderung gehört zu unseren Kernaufgaben. Und unsere Wirt-schaftsförderung kann sich sehen lassen, sie ist gut aufgestellt. Deshalb wird der (intern bereits reduzierte) Mehrbedarf von uns mitgetragen.
Trotzdem sehen wir die Notwendigkeit, neue bzw. zusätzliche Akzente zu setzen.
Wir sind sehr wohl der Auffassung, dass nicht nur die Kosten einer Maßnahme – oder eines Projekts der Maßstab für Förderungswürdigkeit sind. In erster Linie sind die Ergebnisse, die erarbeitet und vorgelegt werden maßgeblich. Und natürlich auch deren Bewertung.

Es muss dargestellt und nachvollziehbar werden, nicht nur ob, sondern vor allem wie die Wirtschaftsförderung mit den Kommunen zusammenarbeitet und wie die Ergebnisse berechenbarer gemacht werden können.
Wir wollen also
- eine Verstärkung der Zusammenarbeit mit den kommunalen Wirtschafts-förderern,
- eine größere Bedeutung des Themas Metropolregion in der Wirtschaftsförderung und eine bessere Koordinierung unserer Europa-Aktivitäten mit denen des Landes,
- eine Aufgabendiskussion, die eine Perspektive für den Standort vor dem Hintergrund konkreter Fragenstellungen (z.B. demografischer Wandel, Integ-ration und Qualifizierung, Mobilität, Logistik und Breitbandverkabelung) einbezieht und
- wir wollen eine Aufwertung des Arbeitskreises „Arbeitsmarkt“, damit wir schneller und gezielter an Informationen kommen und entsprechend darauf reagieren können. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist dies eine unabdingbare Aufgabe regionaler Wirtschaftsförderung.

In der Verkehrsfinanzierung ist der Verband eingeklemmt zwischen den Zuweisungen des Landes, den Umlagen, die bei den Landkreisen erhoben werden, den vertraglichen Verpflichtungen aus der Verbundstufe II, der Einnahmezuscheidung und den Schienenaußenstrecken und der Tarifpolitik des VVS, in dem wir sicher eine wichtige, aber eben nicht bestimmende Größe sind.
Dies ist und bleibt unbefriedigend. Vor allem fehlt es an Transparenz, in den Ent-scheidungswegen und den Entscheidungsgründen.

Darüber hinaus bestand und besteht eine erhebliche finanzielle Unsicherheit und Belastung durch die Vor-Finanzierung der S-Bahn-Ausbauvorhaben.
Die Summen haben sich praktisch innerhalb von 2 Jahren auf über 50 Mio. Euro verdoppelt. Damit haben wir nicht nur die Zinslasten, sondern auch eine deutlich ansteigende Verschuldung der Region.
Wäre die Region allerdings nicht oder nicht mehr bereit, diese Ausbauvorhaben vorzufinanzieren, käme es innerhalb kurzer Zeit nicht nur zu einem vollkommenen Stopp, sondern auch zu nicht absehbaren Konsequenzen für die Entwicklung der Region, nicht zuletzt bei der Umsetzung regionalplanerischer Ziele.
Und leider ist nicht einmal klar, wann und in welchem Umfang diese Mittel vom Land ausgezahlt werden. Angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Situation in den Gemeinden und Kreisen ist dieses Verhalten des Landes nicht länger akzeptabel. Deswegen sind Gespräche mit dem Land unabdingbar und dringlich. Ob sich das Land zugänglich zeigen wird, lässt sich schwerlich voraussagen, aber hoffen darf man immer.

Ein Thema das für unsere Fraktion besonders brisant ist, ist die Sicherheit in der S-Bahn. Die Region ist Aufgabenträger und somit zusammen mit Bahn und Polizei verantwortlich für die objektive Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste. Im Verkehrsausschuss wurde bereits mehrfach über den Einsatz von zusätzlichen Sicherheitskräften und über den Einsatz von Videokameras an den Bahnsteigen berichtet. Wir wollen (der Antrag ist ja bereits eingebracht), dass die Sicherheitsbestreifungen, die im neuen Verkehrsvertrag bereits grundsätzlich in deutlich höherer Intensität gesichert sind, vorgezogen werden. Die Ausweitung des S-Bahn-Verkehrs am Wochenende ab dem kommenden Fahrplanwechsel ist für uns hierfür ein zusätzlicher Grund.
Zumindest ein Teil dieser Aufwendungen kann dabei über die sog. Pönalemittel abgedeckt werden. Auf Grund der Dringlichkeit der Maßnahmen ist aber auch darüber zu entscheiden, ob über die Pönalemittel hinaus, Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.

Die SPD-Regionalfraktion steht uneingeschränkt hinter den beschlossenen Ange-botserweiterungen der S-Bahn an Wochenenden. Diese können jedoch nur ein weiterer Schritt sein, wenn der ÖPNV die Lebenswirklichkeit der Menschen in der Region abbilden soll. Zusätzliche Schritte können und müssen folgen. Wir denken dabei zuerst an die Ausdehnung des 15-Minuten-Taktes am Abend.

Die jetzt laufenden S-Bahn-Ausbauvorhaben haben gezeigt, wie lang der Weg von der Idee über die Planung bis zum Bau sein kann. 20 oder 30 Jahre sind da schnell vergangen.
Deshalb haben für uns jetzt vertiefte Untersuchungen des Ausbaus der S-Bahn in den Landkreis Göppingen und dessen Integration in den VVS oberste Priorität. Da-neben sollten wir aber auch andere Vorhaben, wie den Ausbau der S-Bahn Rich-tung Neuhausen und Vaihingen/Enz, den Bau einer Stadtbahn zur Messe und von Markgröningen über Ludwigsburg und Remseck in den Raum Waiblingen/Fellbach nicht aus den Augen verlieren. Wie gesagt: 20 Jahre sind schnell vorbei.

Die SPD freut sich auf konstruktive Diskussionen über den neuen Regionalver-kehrsplan. Die Region leistet mit ihm einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der künftigen verkehrlichen Infrastruktur der Region. Es kommt im neuen Planwerk da-rauf an, die Themen Feinstaub, Lärm, Stau und Demografie angemessen zu berücksichtigen. Zudem wurde bei den letzten Haushaltsberatungen von mehreren Fraktionen das Thema Logistik angesprochen. Allerdings liegen uns dazu bis heute keine weiterführenden Ergebnisse vor. Dieses Thema muss im neuen Regionalverkehrsplan aufgegriffen werden.
Für uns liegt der Vorrang im Regionalverkehrsplan immer auf dem ÖPNV. Im Stra-ßenbau muss der Schwerpunkt auf Bündelung und intelligente Verkehrslenkung liegen. Straßenbaumaßnahmen die keine Chance auf Realisierung haben, müssen gestrichen werden. Denn: ein Regionalverkehrsplan ist immer nur so gut, wie seine Realisierungschancen, zumindest hinsichtlich der konkreten Planung, bis zum Ende seiner Laufzeit.

Die Regionalplanung war, neben der S-Bahn-Ausschreibung, das Hauptthema im vergangenen Jahr. Und nach der Klausurtagung des Planungsausschusses sah zunächst kaum danach aus, dass sich die Fraktionen noch aufeinander zu bewegen würden. Es ist gelungen, den Regionalplan mit großer Mehrheit zu verabschieden, auch wenn nicht alle Vorstellungen und Anträge eine Mehrheit gefunden haben. Und wir sind als SPD-Fraktion in der entscheidenden Phase die gestaltende Kraft gewesen, die zusammen geführt hat.
Als SPD-Fraktion haben wir uns dafür eingesetzt, dass der Regionalplan mit Augenmaß und möglichst in breitem Konsens mit allen Beteiligten aufgestellt wird. Die kommunale Planungshoheit wurde nicht verletzt. Jetzt kommt es darauf an, noch kritische Punkte aufzuarbeiten und mit den Beteiligten zu diskutieren.
Die Beratungen des Regionalplans haben gezeigt, dass es beim Thema Interkom-munale Zusammenarbeit noch Nachholbedarf gibt. Deshalb wollen wir diesen An-satz vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und der Notwendigkeit, Kosten zu sparen und Strukturen effizienter zu gestalten aufgreifen und mit wissenschaftlicher Unterstützung das Instrument der zentralen Orte in einem Forschungsprojekt fortentwickeln.

Wie Sie unschwer feststellen konnten, haben wir uns mit ausgabewirksamen Anträgen sehr zurück gehalten. Dies ist der Haushaltslage der Kreise, der Städte und Gemeinden geschuldet.
Trotz der Haushaltslage sollten wir jedoch unsere Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und ausbauen.
Nichtstun verschlechtert unsere Lage. Und das können wir uns im Interesse der Region und der hier lebenden Menschen nicht leisten.

Ich möchte diese Stellungnahme mit einem Dank schließen. Dieser Dank gilt zuerst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verbands, die mit hohem Sachverstand und großer Leistungsbereitschaft für die Region und für uns arbeiten.
Herrn Kiwitt und Herrn Dr. Wurmthaler, der ja mit einem hervorragenden Ergebnis in seine zweite Amtszeit gewählt wurde und unserer Regionaldirektorin, Frau Wopperer, die in nicht einfachen Zeiten ein anspruchsvollen Amt angetreten und eine vielschichtige und umfassende Aufgabe übernommen hat.
Unser Dank gilt mindestens genauso Herrn Dr. Rogg und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wirtschaftsförderung.
Und zuletzt, aber nicht weniger herzlich, unserem bereits bewährten und mit berechtigtem Vertrauensbonus wiedergewählten Verbandspräsidenten Thomas Bopp.

 

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